Kanban vs Scrum – welche Unterschiede gibt es?

  1. Kanban kurz erklärt
  2. Scrum kurz erklärt
  3. Gemeinsamkeiten
  4. Unterschiede
  5. Wann einsetzen
  6. Kombinieren

Die agilen Methoden entstanden in den 1970er Jahren in der Softwareentwicklung. Dabei wurde das extreme Programming Anfang der 2000er Jahre durch Scrum in seiner Popularität abgelöst. Bereits in den 1950er Jahren entstand im Rahmen des Toyota Production Systems die Kanban Methode. Auch sie zählt zu den agilen Methoden.

Beide Frameworks sind heute in fast allen wirtschaftlichen Bereichen anzutreffen und haben ihre spezifischen Vorteile. Dabei ist der Unterschied zwischen Kanban und Scrum beträchtlich. Im Folgenden erfahren Sie mehr über beide Methoden und ihre jeweiligen Vorteile. Außerdem lernen Sie die Unterschiede zwischen beiden kennen. Sie erhalten also eine Hilfe bei der Entscheidung, welches Framework für Ihre Organisation und Aufgabenstellung geeignet ist.

Kanban kurz erklärt

Kanban ist eine Methode zur Prozesssteuerung. Sie sorgt für einen gleichmäßigen Prozessdurchlauf. Dabei werden die Prozessschritte in Spalten von links nach rechts auf einer Tafel dargestellt. Entgegen dem klassischen Push-Prinzip ist das Pull-Prinzip wichtiger Bestandteil von Kanban. Voraussetzung ist das sogenannte WIP-Limit, welches die maximal zulässige Anzahl gleichzeitig in Bearbeitung befindlicher Vorgänge in einem Prozessschritt festlegt. Wenn ein Vorgang abgeschlossen ist, wird ein neuer Vorgang aus der vorhergehenden Spalte auf den freien Platz der aktuellen Spalte gezogen (pull).

Durch diese einfache Methodik wird gewährleistet, dass parallele Bearbeitung reduziert wird. Die Durchlaufzeit sinkt, die Qualität steigt und Produktivität verbessert sich.

Das Kanban Board

Es dient zur Visualisierung des Produktionsgeschehens. Alle Workitems werden in Form von Karten in der Spalte platziert, die dem jeweiligen Produktionsschritt entspricht. Ganz links befindet sich der Arbeitsvorrat, ganz rechts die fertigen Aufträge.

Durch die Visualisierung wird Transparenz für das gesamte Team geschaffen. So können Probleme schnell erkannt werden. Das Team kann auf diese Weise schnell für Abhilfe sorgen.

Kanban Tafeln finden sich in physischer Form als Whiteboard oder auf Glaswänden. Außerdem gibt es eine Vielzahl von Kanban Tools, mit denen Sie auch in elektronischer Form agil arbeiten können.

Scrum kurz erklärt

Dieses agile Framework ist im Bereich der Softwareentwicklung entstanden. Herkömmliche Softwareentwicklung wurde in der Vergangenheit meist nach dem Wasserfall-Prinzip organisiert. Ausgehend vom Pflichtenheft wurde entwickelt, dokumentiert und getestet. Der Kunde bekam das Endprodukt erst sehr spät zu sehen. Die Erwartungshaltung des Kunden wurde oft verfehlt, die nachträglichen Änderungen waren enorm aufwändig und teuer.

Im Unterschied dazu gibt der Kunde beim Scrum Framework ein Feedback in kurzen Abständen, jeweils am Ende eines Sprints. Korrekturen können zeitnah erfolgen, Fehlentwicklungen werden vermieden. Damit werden Projektrisiken maßgeblich gesenkt und die Kundenzufriedenheit wird verbessert.

Ausgehend von einem Produkt Backlog, das die Anforderungen an die neue Software in Form von User Stories enthält, erfolgt die Entwicklung durch das Entwickler Team in ein- bis vierwöchigen Sprints. Am Ende jeder Iteration wird das erstellte Inkrement durch den Product Owner abgenommen. Diese Abnahme gewährleistet kurze Feedbackzyklen. Diesem Prinzip folgt jede agile Methode.

Hinzu kommen Verfahren zur Planung der Sprintinhalte einschließlich der Aufwandschätzung, sowie Verfahren zur Bestimmung der Entwicklungsgeschwindigkeit und zur Verbesserung des Prozesses an sich.

Um den Arbeitsvorrat für einen Sprint zuverlässig zu ermitteln, bedarf es einer guten Aufwandschätzung. Hier hat sich das sogenannte Planungspoker etabliert.

Mit Hilfe eines Burn-Down-Charts wird die geleistete und die noch verbleibende Arbeit visualisiert. Es erlaubt eine Abschätzung, inwieweit die Erreichung des Sprints bzw. Release Ziels realistisch ist.

Neben dem Entwickler Team und dem Product Owner sorgt der Scrum Master für die Einhaltung des Prozesses und die Beseitigung von Hemmnissen. Der Master ist auch die zentrale Person, die in der sogenannten Retrospektive mit dem Team erarbeitet, was im zurückliegenden Sprint gut und was schlecht gelaufen ist. Hieraus werden Verbesserungsmaßnahmen abgeleitet.

Inzwischen wird Scrum häufig auch in Bereichen außerhalb der Softwareentwicklung eingesetzt.

Das Scrum Board

Es wird auch Task Board genannt. Es handelt sich dabei um ein klassisches Kanban. In diesem Fall visualisiert es das Sprint Backlog.

Der Arbeitsvorrat des aktuellen Sprints wird in Form von User Stories oder Aufgaben in der linken Spalte platziert. Die Reihenfolge entspricht dabei der Priorisierung. Es folgt eine Spalte mit den in Arbeit befindlichen Aufgaben und eine Spalte mit den erledigten Aufgaben.

Das Team ist frei bei Bedarf weitere Spalten einzuführen, die die Transparenz über den Prozess weiter erhöhen.

Das Scrum Board ist der Treffpunkt, an dem sich das agile Team zum Daily Scrum Meeting, kurz ‚Daily‘ genannt, trifft.

Gemeinsamkeiten von Scrum und Kanban

Scrum und Kanban sind trotz ihrer unterschiedlichen Entstehungsgeschichte agile Methoden. Sie nutzen und fördern verschiedene agile Prinzipien.

Bei Scrum sorgen das Daily und das Team Review für zeitnahes Feedback. Im Kanban geschieht dies im täglichen Kanban Meeting.

Beide Verfahren favorisieren sequenzielles Arbeiten und versuchen die gleichzeitige Bearbeitung von Aufgaben zu vermeiden bzw. zu minimieren. Außerdem ermöglichen sowohl Scrum als auch Kanban ein schnelles Reagieren auf Veränderungen und äußere Einflüsse. Auch zeigen beiden Methoden beeindruckende Ergebnisse. Die Einbeziehung der Teammitglieder verbessert sich, die Transparenz, die Qualität und die Produktivität steigt.

Unterschiede von Kanban und Scrum

Kanban ist das deutlich leichtgewichtigere Framework. Außer dem Kanban Board wird im Grunde nichts weiter benötigt. Es gibt kein umfangreiches Regelwerk. Ein Kanban ist in wenigen Minuten auf ein Whiteboard gezeichnet. Die Karten für die Aufgaben werden beschriftet und aufgeklebt. Nachdem das Team kurz eingewiesen ist, kann die Arbeit beginnen.

Scrum dagegen ist ein recht umfangreiches Framework. Es basiert auf der Einhaltung fester Regeln. Oft wird für die Einführung externe Beratung in Anspruch genommen. Scrum wird dann meist „by the book“ eingeführt, also entsprechend den Regeln. So wird gewährleistet, dass sich die Teams mit der neuen Denk- und Arbeitsweise vertraut machen. Erst später „dürfen“ Anpassungen am Ablauf vorgenommen werden.

Die Einführung von Scrum benötigt ca. 12 bis 16 Wochen.

Unterschiede im direkten Vergleich

Folgende Tabelle zeigt die Unterschiede zwischen Kanban und Scrum Framework im direkten Vergleich:

  Kanban Scrum
Herkunft Produktion – Toyota Production System Softwareentwicklung
Aufwand für die Einführung Gering: kann innerhalb weniger Tage eingeführt werden Hoch: 12 bis 16 Wochen
Know-How Bedarf gering Hoch: häufig werden externe Berater hinzugezogen
Kernidee
  • Transparenz durch Visualisierung laufender Aufgaben bzw. Vorgänge.
  • Effizienz durch Begrenzung der Anzahl gleichzeitig in Arbeit befindlicher Aufgaben.
  • Lieferung von konkreten Ergebnissen in kurzen Iterationen.
  • Schnelles Feedback bei hoher Reaktionsfähigkeit.
Rollen Keine Vorgaben
  • Product Owner
  • Scrum Master
  • Scrum Team
Ablauf Kontinuierliches Arbeiten ohne definiertes Ende, ggf. regelmäßige Meetings am Kanban
  • Klar definierte Regeln.
  • Regelmäßige Sprints, Planungs-, Abnahme- und Feedbackevents
Anwendungsgebiete
  • Persönliche Arbeitsorganisation
  • Teamorganisation
  • Weitgehend unabhängig vom Themenbereich
  • Teamorganisation
  • Quasistandard im Bereich Softwareentwicklung
  • Findet zunehmend Anwendung im Projektmanagement und anderen Bereichen außerhalb der Softwareentwicklung
Auswirkungen auf die Organisation Gering:
Das Team muss sich nur an die neue Arbeitsweise gewöhnen.
Hoch:
Hohe Anforderungen an die Zusammenarbeit im Team. Durch die grundlegende Änderung der Arbeitsweise empfiehlt es sich, das Top-Management einzubeziehen.
Sonstiges Gut geeignet zum Einstieg in agile Methoden Enormes Potenzial, wenn die Methode ernsthaft und engagiert genutzt wird

Wann Scrum oder Kanban

Scrum und Kanban sind agile Methoden, mit denen Organisationen ihre Leistungsfähigkeit enorm erhöhen können. Hier erfahren Sie mehr über die Besonderheiten beider Methoden. Sie können so besser entscheiden, welche Methode für Sie geeignet ist.

Sind Sie als Softwareunternehmen unzufrieden mit der Produktivität und dem Ergebnis der Produktentwicklung, kann Scrum mit seinem radikal anderen Ansatz große Effekte erzielen. Allerdings sollten Sie sich bewusst machen, dass die Umstellung auf Scrum mit erheblichem Aufwand verbunden ist und auch das Management diesen Weg unterstützen muss.

Generell eignet sich Scrum, wenn ein Projekt oder Produkt entwickelt werden soll und die Unsicherheit über den Weg dorthin oder über das konkrete Endergebnis hoch ist. Hier spielt Scrum seine Stärke in Form zeitnahen Feedback aus. Fehlentwicklungen werden schnell erkannt und Anpassungen können vorgenommen werden.

Kanban ist dagegen eine leichtgewichtige Methode, die Sie jederzeit für vielfältige Aufgaben nutzen können. Sie fokussiert Teams und schafft Transparenz. Durch das Pull Prinzip in Verbindung mit den WIP-Limits vermeiden Sie wirkungsvoll die Überlastung Ihrer Teams und verstetigen den Produktionsprozess.

Beispiel: Scrum im Einsatz

In der Softwareentwicklung wurden in der Vergangenheit klassisch zunächst Features über einen längeren Zeitraum entwickelt und z.B. nach 9 Monaten zu einem Release zusammengestellt. Nach einer QS-Phase von unbekannter Dauer wurde die Software dann freigegeben. Bis sie von den Kunden in ihr System eingespielt wurde verging schnell ein weiteres Jahr. Vom Coding der Entwicklung bis zum Einsatz beim Kunden vergingen durchaus 1,5 bis 2 Jahre.

Ein eingespielter Scrum Prozess führt dazu, dass selbst Softwarehersteller von On Premise Lösungen jeden Monat ein lauffähiges Release bereitstellen können. So kann der Anbieter auf wichtige Kundenanforderungen extrem schnell reagieren.

Beispiel: Kanban im Einsatz

Als universelles Tool kann Kanban in vielen Bereichen eingesetzt werden. Beispielsweise kann in einem mittelständischen Produktionsbetrieb die Fertigung damit visualisiert werden. Die Kanban Tafel weist dann folgende Spalten auf:

Nun wird für jeden Auftrag eine Karte beschriftet und in die passende Spalte geklebt. Alle Beteiligten in Verkauf, Einkauf, Produktion und Versand haben somit einen perfekten Überblick über die aktuelle Auslastung und können entsprechende Dispositionen treffen.

Im Endeffekt wird Material nur noch in der auftragsrelevanten Reihenfolge bestellt. Die Materialbestände sinken bzw. sind optimal. Die Auskunftsfähigkeit über Liefertermine gegenüber Kunden verbessert sich. Auch Änderungen in der Auftragsreihenfolge sind leicht möglich und die Auswirkungen solcher Änderungen sind transparent.

Diese Effekte stellen sich ein, ohne die Nutzung komplexer IT-Systeme und nahezu ohne Investition.

Kanban und Scrum kombinieren

Kanban vs Scrum ist also nicht unbedingt die richtige Frage. Wobei der Unterschied zwischen Kanban und Scrum beträchtlich ist. Sie haben gesehen, dass Scrum die komplexere Methode ist, die aber mit dem Scrum Board bereits Kanban Elemente nutzt. Beide Methoden können verbunden werden. Hieraus haben sich die Kombinationen Scrumban und Kanplan verbreitet.

Scrumban basiert auf Scrum. Dabei nutzt das Team Backlogs und Sprints und kombiniert diese mit WIP-Limits für die Aufgaben und Durchlaufzeiten aus der Kanban Methode.

Kanplan dagegen ist im Kern eher Kanban, bieten dem Team aber die Möglichkeit, ein Backlog zu führen und zu pflegen. Auf die Durchführung von Sprints wird hier verzichtet.